Teilzeit auf dem Teller – was ist und bringt eigentlich Intervall-Fasten?
Allgemein Die jungen Alten Gesundheit, meine Liebe! Mann, wie geht's Dir?
Gesünder, schlanker, jünger: diese vollmundigen Versprechen macht das so genannte Intervall-Fasten. Doch funktioniert das wirklich? Für die wunderbare Brigitte Woman verzichtete ich für 4 Wochen zeitweise aufs essen. Wie es mir dabei ergangen ist, erfährst du hier.
Fasten. Schon das Wort hatte für mich immer einen Beigeschmack nach Selbstkasteiung und Wohlstandskilos, die ruckzuck in teuren Kliniken abgehungert werden. Fasten – das fühlte sich nach Migräne, Mundgeruch und Magenknurren an. Doch das Teilzeit- oder Intervall-Fasten ist eine Art Light-Modell der Askese, man verzichtet nicht wochenlang, sondern stunden- oder tageweise auf Essen. Und seit es das gibt, bin auch ich angefixt von dem Gedanken, meinem Körper etwas Gutes zu tun. Er hätte es dringend nötig, denn meine beiden Kinder haben nicht nur viel Freude in mein Leben gebracht, sondern auch Schlaflosigkeit und ein paar hartnäckige After-Baby-Pfunde.
Vor der Praxis kommt die Theorie
Bevor ich loslege, recherchiere ich ausgiebig im Internet, vor allem gucke ich, was auf Facebook darüber berichtet wird. Ich staune über Vorher-Nachher-Fotos, auf denen sich Hummelhüften in Wespentaillen verwandeln, alles in Rekordzeit und ohne Hungerei versteht sich. Parallel blättere ich in zahllosen Ratgebern, die sich alle mit dem Thema Kurzzeitfasten bzw. Intermittierendes Fasten beschäftigen. Unter anderem auch durch den Bestseller „Heilen mit der Kraft der Natur“von Prof. Dr. Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin. Für ihn ist Fasten vor allem ein Impuls zur Selbstheilung, dem er ein ganzes Kapitel gewidmet hat, in dem es natürlich auch um den Teilzeitverzicht geht. Er selbst isst schon seit Jahren nur innerhalb von acht Stunden am Tag, wie ich später im Gespräch erfahre. Die restlichen 16 Stunden verzichtet er auf feste Nahrung. Andere schlemmen fünf Tage und darben zwei, und die dritten bevorzugen die so genannte Every-Other-Day-Variante, kurz EOD. Heißt: ein Tag mit, ein Tag ohne Nahrung.
Aller Anfang ist leicht beim Intervall-Fasten
Auch ich entscheide mich für die 16:8-Methode, weil sie mir am machbarsten erscheint. Und versuche, die erste Mahlzeit des Tages so lange wie möglich hinauszuzögern und die 16 Stunden am Vormittag voll zu machen. So kann ich mit meiner Familie zu Abend essen und sorge nicht für Verwirrung bei den Kids. Abgesehen davon hasse ich Dinner-Cancelling. Niemals waren Abende und Zähne so lang wie bei meinen Versuchen, ab 16 Uhr zu fasten. Das Frühstück zu knicken, stört mich erstaunlicherweise fast gar nicht und fällt in der alltäglichen Hektik zwischen Zähneputzen und Pausenbrotschmieren niemandem auf. Lediglich eine Tasse Kräutertee trinke ich am Morgen, weil mir schwarzer Kaffee auf den (leeren) Magen schlägt. Koffeinmangel ist übrigens verantwortlich für den Kopfschmerz, unter dem viele beim Essensverzicht leiden, erklärt mir Michalsen. Dabei dürfe schwarzen Kaffee durchaus trinken, wer ihn verträgt.
In den ersten vier Tagen schiebe ich vormittags mächtig Kohldampf, doch mir fällt auf, dass ich den Hunger nicht so sehr als quälend und schwächend empfinde wie bei meinen vereinzelten Diätversuchen, sondern eher als Herausforderung. Denn beim Intervall-Fasten kämpfe ich nicht gegen zu viel oder zu kalorienreiche Lebensmittel an, sondern nur gegen die Zeit, und das ist leichter. Ansonsten verändere ich nichts an meiner Ernährung: Ich esse drei Hauptmahlzeiten und versuche wie sonst auch, nicht so viel Süßes zu essen, vor allem nicht zwischendurch.
Zwischen Euphorie und Eishänden
Zwei Wochen später stelle ich überrascht fest: Während sich nach einem Frühstück spätestens um 10 Uhr ein kleiner Appetit meldet, halte ich jetzt locker bis 11 oder sogar 12 Uhr ohne Mordshunger durch. Dann esse, nein genieße ich wie auch sonst mein Frühstücksbrot oder schon ein frühes Mittagessen. Denn natürlich freue ich mich jeden Tag viel mehr als sonst auf meine erste Mahlzeit, und es kommt mir wirklich so vor, als könnte ich intensiver schmecken. Fasten reinigt eben nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Darum ist die temporäre Askese seit Jahrhunderten bei fast allen Bevölkerungen verankert. Tagsüber bin ich tatsächlich energiegeladener, abends ist mein Akku allerdings komplett leer. Nur mit viel Glück komme ich über die Begrüßung von Marietta Slomka hinaus, bevor ich auf dem Sofa einnicke. Später schlafe ich seit Monaten das erste Mal so tief, dass ich meine kleine Tochter erst höre, als sie schon neben meinem Bett steht. Doch eines nervt mich unglaublich: ich friere dauernd. Ein heißer Becher Tee und eine Wärmflasche werden deshalb zu meinen ständigen Begleitern. „Durch den Energiemangel fährt der Körper die Betriebstemperatur herunter, um Energie zu sparen“, erklärt mir Michalsen und rät: „Versuchen Sie es mal mit Ingwer-Tee und würzen Sie das Essen schön scharf.“
Schlemmend erschlanken bleibt ein Traum
Er sieht den derzeitigen Hype ums Teilzeit-Fasten übrigens mit gemischten Gefühlen: „Einerseits bekommt das Thema endlich viel Aufmerksamkeit, andererseits ist der Fokus zu stark aufs Abnehmen gerichtet. Das wird den medizinischen Effekten des Verzichts nicht gerecht – und auch bei Diät-Willigen für Enttäuschungen sorgen. Denn wer in den acht Stunden zu Sahnetorte und Fastfood greift, wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nennenswert abnehmen“, so der Internist. Viel wichtiger sind aus Michalsens Sicht, dass intermittierendes Fasten – langfristig praktiziert – Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck vorbeugen kann. Auch Patienten mit entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma, chronischen Schmerzen oder Darmerkrankungen, sowie neurologischen Leiden, wie Demenz, Multiple Sklerose und Parkinson scheinen vom Teilfasten zu profitieren. Und Chemo-Therapien sollen auf diese Weise besser vertragen und die gesunden Zellen robuster werden, wie ein Forscherteam um Michalsen in einer Pilotstudie zeigte. Dabei teilten die Wissenschaftler 34 Brust- und Eierstockkrebs-Patientinnen nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen auf. Eine fastete vor und nach der Infusion, die andere nicht. Das Ergebnis: Die Probandinnen, die keine Nahrung zu sich nahmen, empfanden die Tumortherapie als weniger belastend und stuften ihre Lebensqualität höher ein als die Vergleichsgruppe. Auch hier warnt der Experte allerdings vor Euphorie: „Es bedarf noch Langzeitstudien mit mehr Teilnehmern, um eindeutige Zusammenhänge nachweisen zu können.“ Was man aber schon heute mit Sicherheit sagen kann: Ein vorübergehender Nahrungsverzicht tut uns gut, und zwar ganz unabhängig vom Taillenumfang. Und es braucht dazu keinen wochenlangen Verzicht, Intervall-Fasten hat vergleichbare Effekte.
Alles hat ein Ende – nur das Teilzeitfasten nicht
Bei mir bricht in der Zwischenzeit Woche vier meines Selbstversuches an. Selten fiel mir eine Ernährungsumstellung so leicht. Nur Samstag und Sonntag hadere ich hin und wieder mit meinem Futter-Fenster von acht Stunden. Obwohl Frauen theoretisch auch nur 14 Stunden fasten müssten. Michalsen: „Sie haben einen kleineren Zuckerspeicher in der Leber als Männer und kommen nach heutigem Wissenstand schneller in den Fastenstoffwechsel.“ Unter der Woche belasse ich es mittlerweile oft sogar bei nur zwei Mahlzeiten und fühle mich trotzdem beziehungsweise gerade deswegen gut. „Der Grund liegt daran, dass das Gehirn unter kalorischer Restriktion verstärkt Glückshormone und Endorphine ausschüttet“, erklärt Michalsen, der (leider) auch in puncto Abnehmen Recht behält: Gewicht habe ich in den vier Wochen nicht verloren, und das, obwohl ich weder häufig Kuchen noch Burger gegessen habe. Doch ich habe ganz klar an Lebensqualität gewonnen. Auch, weil ich nicht mehr darüber nachdenke, dass man sich mal gesünder ernähren müsste. Ich habe auch seltener Kopfschmerzen und Sodbrennen. Das sind für mich genug Gründe, dabeizubleiben.