Faszientraining im Selbstcheck: Was bringt der Trendsport wirklich?

Allgemein Die jungen Alten Gesundheit, meine Liebe! Mann, wie geht's Dir?

Der Gutschein zu meinem Geburtstag entpuppt sich als echter Volltreffer. Eine Probestunde Faszientraining unter Anleitung eines Personal-Coaches! Als Tanja Bindschädel vom Hamburger Studio Tativa wenige Tage später vor meiner Tür steht, bin ich gespannt und mein Nacken verspannt. Der Grund: Ich sitze zu oft und lange am Computer. Wir starten mit einem Theraband und einer runden Hantel mit Griff, der so genannten Kettle Ball, um die Faszien vorzubereiten. Lange wurde das elastische Bindegewebe stiefmütterlich behandelt. Dabei hat es eine wichtige Aufgabe! Es umschließt alle Muskeln, Organe, Nerven, Knochen und Gelenke und verleiht ihnen Stabilität. Verklebte Faszien führen zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Das fand Humanbiologe Dr. Robert Schleip von der Universität Ulm heraus. Ich finde dagegen Folgendes heraus:

  • Faszientraining ist schweißtreibend

Schnell wird klar, dass ich eine völlig falsche Vorstellung vom Faszientraining hatte. Insgeheim träumte ich nämlich von einer Art Wellness-Massage. Doch weit gefehlt! Die Blackroll, eine längliche Rolle aus festem Schaumstoff, rollt zwar die verklebten Faszien aus, aber sie ist eben nur ein Hilfsmittel. Die Hauptarbeit muss doch ich erledigen. Um die Faszien in den Oberschenkeln zu bearbeiten, rolle ich also auf der Blackroll in Liegestütz-Position über den Boden. Auf diese Weise gelangt Flüssigkeit ins Bindegewebe. Das pflegt die Struktur. Und ist ganz schön anstrengend! Ich schnaufe und erhalte die nächste wichtige Info.

  • Faszientraining ist kein Wundersport

Einmal hin- und hergerollt und zack sind alle Verspannungen weg? „Nein. Faszientraining ist kein Wundersport. Das Bindegewebe braucht Zeit für die Erholung. Und Anwender deshalb Geduld. Außerdem ist regelmäßig Training das A und O. Im Idealfall 2 bis 3 Mal pro Woche für mindestens 30 Minuten. Nach zirka einem Monat spürt man die ersten positiven Effekte“, weiß Bindschädel. Und wie diese aussehen, kann jeder selbst bestimmen – mit folgendem Trick:

  • Faszientraining eignet sich für Anfänger und Profis

„Schnelles Rollen mit wenigen Wiederholungen aktiviert die Faszien. Das ist ein idealer Start ins Ausdauer- und Krafttraining, da es die Leistungsfähigkeit der Muskeln verbessert“, so Bindschädel. Das ist der Grund, warum auch viele Profi-Sportler auf die Methode setzen. „Langsames Rollen mit 12 bis 15 Wiederholungen entspannt dagegen die Faszien. So verringert sich auch die Spannung in den Muskeln.“ Dieser Punkt steht für mich eindeutig im Fokus. Entsprechend stelle ich mich nun mit dem Rücken an die Wand. Die Blackroll lege ich waagerecht auf Höhe meines Lendenbereichs und führe Kniebeugen aus. Die Rolle wandert dabei rauf und runter und beschert mir die nächste Erkenntnis.

  • Faszientraining ist (zu Anfang) schmerzhaft

„Zuerst können bestimmte Übungen unangenehm sein oder sogar schmerzen. Damit signalisiert der Körper den Handlungsbedarf“, unterstreicht Bindschädel. Spätestens nach dem dritten Training sollte damit jedoch Schluss sein. „Das könnte sonst ein Hinweis auf eine andere Verletzung sein. Sie muss von einem Arzt abgeklärt werden.“ Bindschädel rät Interessierten, einen Kurs bei einem qualifizierten Trainer zu besuchen. Alternativ im Sportclub oder an der Volkshochschule. So lassen sich Trainingsfehler vermeiden und die richtige Reihenfolge der Übungen erlernen. „Sinnvoll ist es mit den Füßen zu beginnen und sich langsam hochzuarbeiten. Die Wirbelsäule und weibliche Brust sollten beim Rollen ausgespart und beide Seiten symmetrisch trainiert werden. So vermeidet man Dysbalancen“, warnt die Expertin und reicht mir aus gutem Grund meine Wasserflasche.

  • Zum Faszientraining gehört immer eine Flasche Wasser

Denn während bei anderen Sportarten oft bis zum Schluss durchgepowert wird, ist das beim Faszientraining anders. Da sollte man vor, während und nach dem Training viel stilles Wasser trinken. So sind die Speicher ausreichend gefüllt. Und die Faszien werden optimal mit Flüssigkeit versorgt. „Auch die Ernährung spielt eine große Rolle“, sagt Bindschädel. Sie rät, säurebildende Lebensmittel wie Zucker und Fleisch einzuschränken. Dafür lieber viel Vitamin C (z.B. Paprika und Zitrusfrüchten) und Aminosäuren (z.B. Walnüssen, Reis und Buchweizen) futtern! Wer sich daran hält, verliert auch automatisch ein paar Pfunde. „Faszientraining als Schlankmacher oder Mittel gegen Orangenhaut zu bezeichnen, halte ich aber für übertrieben“, räumt Bindschädel ein.

6 Wochen später

Um es kurz zu machen: Trotz eines Mörder-Muskelkaters (was dagegen hilft, erfährst du übrigens hier) bin ich buchstäblich von der Rolle vor Begeisterung! Gleich nach der Probestunde habe ich mir ein 4-teiliges Set gekauft. Seitdem trainiere ich abwechselnd mit unterschiedlich großen Rollen und Bällen. Und das hat sich ausgezahlt: Mein Nacken ist seitdem butterweich und auch mein Fersensporn piesackt mich nicht mehr.

Und hier noch 2 tolle Übungen für Viel-Sitzer(innen):

Für entspannte Lendenwirbel:

  • Setze dich mit ausgestreckten Beinen auf deine Matte und stütze dich mit den Unterarmen ein wenig nach hinten ab.
  • Die Rolle liegt auf Höhe des Kreuzbeins. Neige den Oberkörper nun leicht nach hinten, sodass du etwas Druck auf die Rolle ausübst. Rolle dann langsam Richtung Brustwirbelsäule ab.
  • 5-mal wiederholen.
  • Sollte sich ein Bereich der Lendenwirbelsäule als schmerzhafter herausstellen, rolle dort mehrmals hin und her.

 

Für einen lockeren Nacken:

  • Lege die Rolle in Rückenlage in deinen Nacken.
  • Löse über eine ganz leichte, behutsam spürende Drehbewegung nach links und rechts Spannungspunkte.
  • Wenn du den Druck der Rolle verstärken möchtest, baue über den Kopf einen leichten Druck nach hinten auf.

Dieser Artikel ersetzt keinen Arztbesuch.

Bildnachweise: (c) Gräfe und Unzer Verlag/ Johannes Rodach

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